Montag, 19. Juni 2017

Einmal Mitte, bitte

© Lynn-Sophie Uebbing
Zu Fuß auf den Spuren des Lachens: Die Tour 11 “Worüber es sich zu lachen lohnt”. 

von Lynn-Sophie Uebbing

22.45 Uhr. Die PAF-Tour „Worüber es sich zu lachen lohnt“ gilt offiziell als beendet. Wir sitzen noch eine Weile in der Bar des Theaterdiscounters. Bereits seit sechs Stunden sind wir dem Humor auf der Spur. Dabei ist die Tour vor allem ein Spaziergang durch Mitte.
Aber von vorn. Angefangen hat alles um 16.45 am Mauerpark. Da saß ich zusammen mit einer Freundin, die sich spontan angeschlossen hatte, auf den Stufen vor der Litfaßsäule am Eingang des Mauerparks.
Die Geschmäcker in Sachen Humor sind ja bekanntermaßen verschieden. Was also erwartete uns bei der Tour übers Lachen?

Um 17 Uhr trudelte unser Tourguide Georg Carstens ein, der zuvor noch auf einer Demo war. Auch eine Frau vom Festival gesellte sich dazu, wie auch eine kleine Gruppe, die sich allerdings nur die erste Performance anschauen wollte. Ich war die einzige, die die Tour gebucht hatte. Ein persönlicher Tourguide nur für mich? YEAY!
Gemeinsam schlenderten wir durch den Mauerpark. Auf dem Weg kamen uns bereits die ersten schwarz gekleideten Performer  von Anouk Kaiser Karls “Halbe Stunde Sound” entgegen, die mit ihren Smartphones Fotos von uns machten. Vielleicht taten sie auch einfach nur so. Irgendwann wurden wir gebeten, uns hinzusetzen: „Es wird jetzt etwas länger dauern“. Na gut. Also sah ich 40 Minuten dabei zu, wie sich eine Gruppe Performer die Haare kämmte – zu ziemlich schrägen Gitarrenklängen. Das Ganze endete ohne Pointe. War das der Witz? Eigentlich wollte Georg, unser Tourguide, mit uns zu „Erotische Außenreinigung Ihres PKWs ohne Trocknung oder: Car Wash“ in den Sophiensälen, allerdings gab es dafür keine Karten – nur vier Leute haben Platz im Auto. Schade eigentlich.

© Lynn-Sophie Uebbing
Um die Zeit zwischen der ersten und zweiten Performance zu überbrücken, aßen wir Falafel. Georg erzählte uns, dass er Regisseur und Autor von Komödien ist. Ein sehr entspannter Typ: „Vielleicht sollten wir uns ein Car-to-go-Cabrio mieten und zur nächsten Performance fahren?” Da kein Auto zur Verfügung stand, liefen wir zur nächsten Performance. Zum Club der polnischen Versager in der Ackerstraße ist es zwar ein Stück, aber das Wetter war super und das Wegbier schmeckte.

Der Club ähnelt einer Bar und finanziert sich durch Spenden – alle Mitarbeiter*innen arbeiten ehrenamtlich. Die Performance “Richtung Dschörmannie” von ProtokollB passte zum Club-Namen: Es geht um menschliches Versagen. Im Mittelpunkt des Literatur-Slams stehen drei Performerinnen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Sie sprechen über Fehlkommunikation und die Angst, sich nicht in einer neuen Sprache ausdrücken zu können,  berichten über Beziehungen, die nicht funktioniert haben. Zwischendurch fällt der Satz: „Wir sollten eigentlich Sex haben.“ Zwei Körper, die sich berühren, aber dann nicht weiterkommen, weil sie ihre Gedanken nicht frei äußern. Keiner weiß, was der andere will. Das hat durchaus Witz.

Man denkt, dass Menschen, die zum Beispiel aus Syrien nach Deutschland kommen, andere Sorgen haben als die üblichen Alltagsprobleme. Genau diese alltäglichen Sorgen aber werden hier aufgegriffen und verarbeitet, auch Themen wie Schreibblockaden und Zukunftsängste. Kommt mir bekannt vor.

Nach der Vorstellung stehe ich noch mit Georg vor der Tür und unterhalte mich über den Abend, der nach der “Halbe Stunde Sound” eine gute Abwechslung war, weil hier eine intime Atmosphäre herrschte, fast so, als säße man mit Freunden zusammen und würde sich deren Kummer und Ängste anhören. Schön, dass man daran teilhaben konnte.

Als letztes ging es dann zum tragikomischen “Bahnwärter Thiel” im Theaterdiscounter: Koffergerolle, Musik und ein streitendes Paar. Bahnwärter Thiel erzählt von seinem Berufsalltag bei der Deutschen Bahn. Immer wieder beschreibt er die Geräusche eines vorbeifahrenden Zuges. Zwischendurch gibt es eine Gesangseinlage und einige Anekdoten aus dem Leben mit seiner herrschsüchtigen Frau und den zwei Kindern. Das ist mitunter ziemlich komisch. Doch dann stellt Thiel fest, dass sein Leben einer Scheinwelt gleicht und dass seine zweijährige Ehe wie ein Zug an ihm vorbeigerauscht ist. Ein unaushaltbarer Zustand, der dann wie in Gerhart Hauptmanns Novelle in einer Tragödie endet.

Drei sehr unterschiedliche Programmpunkte verband die Tour. Schade, dass Georg sie nicht ganz nach seinen Vorstellungen planen konnte. Trotzdem hatten wir eine gute Zeit,  er versorgte uns mit Anekdoten über die Theaterszene, bot uns am Ende noch ein Künstlergespräch an. Einen Tourguide für sich alleine hat man auch nicht alle Tage. Und dann gleich einen so guten. Danke!