Donnerstag, 15. Juni 2017

Stark in der Schwäche

Rafat Alzakout inszeniert Mudar Alhaggis „Your Love is Fire“ als vielschichtigen und persönlichen Abend im TAK

YOUR LOVE IS FIRE
© Mohamad Badran

von Aïsha Mia Lethen

Hala, Rand und Khaldoun sitzen auf dem Boden des kargen Raums und essen ihr Schawarma. Ihr leerer Blick geht ins Publikum. Es ist still. „Hat er aufgehört zu schreiben?“
Der Autor ist Teil dieses Stückes. Er schreibt noch. An der Geschichte, die vom Alltag in Damaskus erzählt: Immer wieder erschüttern Explosionsgeräusche die kleine Wohnung von Hala und Rand. Sie sind gefangen: im Krieg und in diesem Stück. So wie Khaldoun, Rands Freund, der in der syrischen Armee arbeitet. „Das muss alles aufhören“. Diesen Satz spricht Rand oft. Er spiegelt die Gefühle aller Charaktere wider: ohnmächtig und innerlich zerrissen an der Frage, ob sie nach Deutschland gehen oder bleiben sollen.

Regisseur Rafat Alzakout und Autor Mudar Alhaggi zeigen in „Your Love is Fire“ im TAK die syrische Sicht auf Krieg und Terror. Sie selbst leben im Exil in Deutschland und schaffen hier einen Perspektivwechsel, den es auf deutschen Bühnen selten zu sehen gibt. Der Abend ist persönlich, bewegend und atmosphärisch. Die verschiedenen Sender des Programms auf dem kleinen Fernseher zeigen die Ambivalenz des Lebens in Syrien: Zwischen Krieg und Alltag. Diese Zerrissenheit ist immer präsent: In ruhigen Momenten rezitiert Hala syrische Poesie, in anderen schreien und weinen die Drei auf der Bühne. Dennoch schafft die Inszenierung durch ihre Nüchternheit auch eine gewisse Distanz, besitzt auch komische Momente, die sich allerdings in den deutschen Übertiteln kaum transportieren lassen.

Wie es weitergeht, weiß niemand

Der Autor im Stück ist auch bereits nach Deutschland geflüchtet. Der Bauzaun, der so klare Schatten auf den weißen Vorhang wirft, bildet die Grenze zum Flüchtlingslager, aus dem er hervortritt und seine Figuren beobachtet. Wie sie schweigen und streiten in diesem Raum mit einer Dusche, aus der kein warmes Wasser mehr kommt, zwei Einzelbetten ohne Decken und einer behangenen Kleiderstange. Seine Figuren sind fern von Stereotypen kreiert: menschlich und stark in ihrer Schwäche. Wenn Khaldoun die beiden Frauen mit seinem Gewehr bedroht, wird deutlich, wie sich die Gewalt in ihr Leben gedrängt hat. Der Autor sieht zu, passiv in seiner Ohnmacht: Er hat keine Kontrolle, ist ebenso gefangen. „Du bist nicht mehr du selbst“ – die Erfahrungen haben sie alle geprägt. Auch den Autor, der seine Geschichte erzählt: Wie er im LAGeSo ankam und nach Thüringen geschickt wurde. Wie er versuchte, sich die einsamen Stunden im Camp zu vertreiben, mit Schlafen, Essen, Lesen.

„Your Love is Fire“ ist ein Spiel mit den Ebenen, mitten im Moment des Schreibens und des Geschehens. Dieses Doppelspiel im Gefangensein wird auf die Spitze getrieben, wenn Khaldoun sich gegen den Text wehrt und sagt, dass er desertieren werde – aus diesem Theaterstück. Wie es weitergeht, weiß niemand: Der Autor muss noch schreiben. Auch er kennt das Ende noch nicht.