Montag, 19. Juni 2017

Wie die Faust aufs Auge

„faust in the box“ von Bridge Markland in der Brotfabrik ist eine Collage aus Puppentheater, Körpertheater, dem Originaltext und Popsongs. Vielen Popsongs – „Goethes Faust 1 für die Generation Popmusik“. Aïsha Mia Lethen ist begeistert.

 © Vera Hofmann
„Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen,
Und jedermann erwartet sich ein Fest.
Sie sitzen schon mit hohen Augenbraunen
Gelassen da und möchten gern erstaunen.
Wie machen wir's, dass alles frisch und neu
Und mit Bedeutung auch gefällig sei?“

Vielleicht so: mit jeder Menge Popsongs, Originaltext vom Band, Handpuppen, expressiver Mimik und Lip sync. Das jedenfalls ist Bridge Marklands Antwort auf den Theaterdirektor in Goethes „Vorspiel auf dem Theater“. Schwarz gekleidet, das Gesicht weiß geschminkt, steht sie mitten auf der Bühne der Brotfabrik in ihrer großen Box, dem Zentrum der Inszenierung, und sucht den direkten Blickkontakt zum Publikum. 

Knapp 100 Songs werden in den 90 Minuten angespielt – immer in den passendsten Momenten des gekürzten Originaltextes, der von Schauspielern im Tonstudio eingesprochen wurde: Gretchen, die „Pretty Woman“, singt Madonnas „Like a Virgin“. Faust findet: „The Girl’s Attractive“. Und als das Mädchen nicht begreift, was der Typ von ihr will, kommentiert Pink „Stupid Girl“. Als Faust ihr die Tropfen für ihre Mutter geben will, soll sie ihm vertrauen? Schließlich haben die Ärzte gewarnt: „Männer sind Schweine“. Andererseits: „Girls just wanna have fun!“ Das trifft wie die Faust aufs Auge.  

Dabei ist der Songspaß nur die halbe Miete. Wie Markland immer wieder in der Box verschwindet und als Faust, Mephisto oder Gretchen wieder herausspringt, erinnert ein bisschen an Jack in the Box. Mal ist sie einer der Charaktere, mal kommen nur die Handpuppen zum Einsatz, mal interagieren sie und die Puppen gemeinsam. Die Handlung von „Faust“ wird (vermutlich zu Recht) als bekannt vorausgesetzt. So stört es nicht, dass Marklands Spiel etwas von der inhaltlichen Ebene ablenkt, als sie die Box verlässt, durchs Publikum läuft und ab und zu ihre Zunge rausstreckt. 

Markland gelingt das doppelte Spiel auch dank markant kommentierender Requisiten: ein rotes Plastikherz, ein kitschiger goldener Engel, Gummiwürmer und ein batteriebetriebener Spielzeughund. Barbies bewegen sich eindeutig zweideutig zu „Do it like they do on the discovery channel“. Politisch gesehen, sind es vielleicht nicht immer die korrekt gewählten Kommentare. Aber hey, es funktioniert.

Zu Xavier Naidoos „Dieser Weg wird kein leichter sein“ steckt Markland mit der Gretchen-Zopfperücke auf dem Kopf ein Grablicht an und setzt sich mit langem Gewand und Sträflingskugel vor ihre Box. Faust, die schlichte Handpuppe, will Gretchen vor der Hinrichtung retten. Bob Marley singt „Get up. Stand up for your right“. Doch auch das hilft nichts – Gretchen ist schon auf dem „Highway to Hell“. Die Zuschauenden dagegen erleben an diesem Abend wohl eher einen Höhenflug. Dürfte das Publikum mit einem Song antworten, wäre es wohl von den Rolling Stones: „Pleased to meet you“, Bridge Markland!