Beim PAF geht es mitunter nass, feucht und manchmal auch glibberig zu: Nicht nur bekannte Produktionen wie „Evros Walk Water 1&2“ von Rimini Protokoll kreisen um die Themen Wasser und Wellen, auch andere Künstlerkollektive greifen die Thematik auf - und bewegen sich dabei in ganz unterschiedlichen Gefilden.
Sanierte Altbauten © Clemens Heidrich |
von Friederike Oertel
„Die vier Elemente: Wasser“ von i:kozaeder
Es sind 27 Grad, die heiße Luft staut sich in der Abendsonne, doch aus dem Kleinen Wasserspeicher im Prenzlauer Berg weht eine kühle Brise. Im Inneren ist es feucht und dunkel. Die alten Backsteinmauern mit ihren Säulen und Rundbögen werden von blauen und grünen Scheinwerfern spärlich beleuchtet und in ein mystisches Licht getaucht. Nebelmaschinen senden wabernde Dunstwolken aus, Stimmen und Fußgetrappel hallen durch den Speicher. Dann klingen die ersten Töne durch die feuchten Gemäuer. Im Mittelpunkt steht der Liederzyklus “Sea Pictures op. 37” von Edward Elgar, den die vier Musiker des Kollektivs i:kozaeder durch Intermezzi ergänzen. Wie sie, bewegen sich auch die Zuhörer während des Konzertes im Raum, der dabei zum Kommunikationspartner wird.
Vier Elemente Wasser © Friederike Oertel |
Die Klarinette beginnt mit einer fließenden Melodie. Die Harfe setzt ein, erinnert mit einem leichten Zupfen an einen plätschernden Bach. Zusammen gelingt ihnen ein derart leichtes Spiel, dass das Wesen des Wassers deutlich zum Ausdruck kommt. Saxophon und Akkordeon fügen in dunklen, bedrohlichen Tönen weitere Facetten hinzu. Darüber legt sich die Stimme der Sängerin. In getragene Bögen singt sie englische Gedichte über Liebe, Sehnsucht und Weite. Ihre Stimme übertönt den improvisierten Ansatz der Musiker und erzeugt eine neue, feierliche Atmosphäre, die den Wasserspeicher in einen Sakralbau verwandelt.
Das Rascheln, Rauschen und Säuseln einer transparenten Abdeckfolie, die eine Performerin durch den Raum kreisen lässt, klingt wie Wind über dem Meer, bald wie ein aufkommender Sturm. Das passt zum Thema, wirkt als Lückenfüller zwischen den Intermezzi dennoch etwas bemüht, zumal die Musiker ein sehr abgestimmt wirkendes Repertoire präsentieren. Der Eindruck loser Bestandteile verstärkt sich, als gegen Ende eine Eurythmistin auftaucht und in wallendem Schleier ein Gedicht vorträgt. Nicht zu vergessen die Malerin, die das Geschehen auf einer Staffelei in Echtzeit auf eine Leinwand pinselt.
In seiner Fülle wirkt das Angebot überfordernd und stiftet Unruhe in dem ohnehin sehr hellhörigen Raum. Die Rundbögen des Speichers hallen lange nach, tragen den Klang, vervielfachen aber auch die Schritte und das Getuschel der Zuschauer. Zwar gelingt es den Musikern, das Element Wasser mittels verschiedener Medien zu transportieren, doch wahrscheinlich hätte weniger mehr Wirkung erzielt.
„TOODRYTOCRY“ von Sanierte Altbauten
In die Untiefen verschiedener Flüssigkeiten begibt sich auch die Introducing-Produktion „TOODRYTOCRY“ des Künstlerkollektivs Sanierte Altbauten im Ballhaus Ost. Zu Beginn verkünden zwei Frauen in hautfarbener Ganzkörperstrumpfhose, dass wir uns 2.300 Meter unter dem Meeresspiegel befinden. Eva und Sarah sind Meereswesen, die immer wieder unkontrolliert mit einem Arm oder einer Hand schlackern, als hätten sie kleine Tentakeln.
Sanierte Altbauten © Clemens Heidrich |
Eva und Sarah wollen unbedingt an Land, finden die Bedingung der Meereshexe aber schon ziemlich „krass“. Hin- und hergerissen zwischen Verführung und Angst schlüpfen sie in die Rollen von Meerjungfrauen, Medusen und Marmorstatuen. Die Körper der (männlichen) Statuen sind fest, hart und grenzen sich ab. Die (weiblichen) Meereswesen hingegen sind „die Schönsten aller Schaumgeborenen“, ihre Haut ist weich wie eine Rose, ihr Gesang betörend. In ihren Überlegungen entspannen sie eine vielschichtige Narration über den weiblichen Körper, seine Zuschreibungen und Metaphorik. Im Hintergrund prallt ein Tropfen in stetem Rhythmus auf die Wasseroberfläche und verbindet den Diskurs über Körperideale mit einer tickenden Uhr – oder einer chinesischen Foltermethode.
Statt sich dem Körperideal zu beugen, geben sich die zwei Meereswesen nach und nach ihrem Körper samt Glibber und Schlick hin. Sie suhlen sich in den schleimigen Zungen, die die Meereshexe in einem Bottich aufbewahrt, entblättern die Häute ihrer Stumpfhosen Schicht für Schicht, öffnen die von der Decke baumelnden Netze mit prallgefüllten, fischlaichigen Eiern und wässern die Bühne. Skeptisch, belustigt und fasziniert sehen wir, wie die Meeresidylle aufgebrochen und Körperbilder dekonstruiert werden. Das gelingt, trotz oder gerade wegen der abstrakten Bilder und großangelegten Metaphorik.